Europa Aktuell

von Herrmann Kroll-Schlüter

Herrmann Kroll-Schlüter
Herrmann Kroll-Schlüter

Die Europäische Union ist keine politische Union. Sie hat keine Verfassung und sie ist in keiner guten Verfassung. Das liegt auch daran, dass es keine politische Übereinkunft darüber gibt, was sie eigentlich sein will .

Ein Staatenbund ist die EU auch nicht, denn dann wäre sie ein Bündnis von souveränen Staaten, die sich vertraglich verpflichtet haben, gemeinsam bestimmte Ziele zu erreichen ohne dafür Souveränitätsrechte abgegeben zu haben. Die EU ist ein Staatenverbund, d.h. die Mitgliedstaaten der EU haben Souveränitätsrechte, zum Beispiel für Handelsabkommen, an die EU abgetreten.

Was will die EU morgen sein? Die vorherrschende Meinung sagt: weiterhin ein Staatenverbund auf dem Wege der Vertiefung und der weiteren Integration. Damit ist sie in einen ständigen Konflikt geraten, der viel politischen Schaden anrichtet. Die einen wollen mehr Europa, die anderen wieder mehr Nationalstaat. Die einen wollen mehr in Richtung Staatenbund, die anderen wollen einen föderativen europäischen Bundesstaat. Der nächste Schritt dazu wäre neben der Währungsunion eine Fiskalunion. Die aktuell hohe Schuldenaufnahme der EU muss fast zwangsläufig dazu führen - und wird ebenso zwangsläufig bestritten. Vertrauen schafft das nicht.

Vertrauen ist aber wichtig dafür, dem leidenschaftlichen Plädoyer für die europäischen Werte folgen zu können. Dabei geht es um Menschenwürde, Demokratie und Freiheit, um Gleichheit, Pluralismus und Solidarität, um Presse-, Religions- und Meinungsfreiheit, um Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte.

Wir hören tatsächlich: die größten Herausforderungen dieser Zeit können nur gemeinsam angenommen und bewältigt werden. Ein einzelner Staat sei dazu nicht in der Lage. Aber muss es dafür einen europäischen Bundesstaat, eine politische Union oder einen Staatenverbund geben? Wäre nicht der einzelne Staat auf der Grundlage internationaler Verträge mit einer starken nationalen Identität als Anker und Quelle politischer Stabilität gut geeignet, die je aktuellen, auch globalen, Herausforderungen zu meistern?

Robert Schumann 1953: "Wir sind dazu aufgerufen, uns auf die christliche Grundlage Europas zu besinnen, indem wir ein demokratisches Modell der Herrschaftsausübung aufbauen, das eine Gemeinschaft der Völker in Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Frieden entstehen lässt und das zutiefst in den christlichen Grundwerten verwurzelt ist."

Welches demokratische Modell soll es denn nun sein?

Das christliche Menschenbild mit seiner Begründung der Individualität, der Sozialität und Personalität des Menschen ist ebenso prägend wie tragend für Europa. Die europäische Wertebasis hat hier ihre wichtigsten Quellen. Aber wird in diesem Bewusstsein heute auch noch prägend gehandelt und entschieden?

Vor fünf Jahren haben sich Menschen aus ländlichen Räumen Europas, bewegt vom und orientiert am christlichen Menschenbild, auf den Weg gemacht, unterstütz vom Erasmus Programm, um eine Gemeinschaft zu bilden und als diese Gemeinschaft im christlich-europäischen Geist Verantwortung zu übernehmen für die Lebensgestaltung in ihren Dörfern und ländlichen Räumen. Diese Gemeinschaft / Bewegung ist jetzt institutionalisiert und trägt den Namen Pro Rural Europa. Zu diesem Ziel hat das CSB einen wichtigen Beitrag geleistet - durch die zu Beginn von ihm organisierten und finanzieren Begegnungen und Seminare in Schmochtitz und in Polen.

Vor zwei Jahren hat die Katholischen Landvolkbewegung Deutschlands das Aktionsprogramm Europa beschlossen und führte jetzt zu einer sehr erfreulichen Bilanz: Wir wollen Europa, wir wollen Europa in unseren Dörfern leben, wir wollen Begegnung. Denn in der Kampagne ist eins besonders deutlich geworden: Europa ist unsere Zukunft. Und: Europa lebt von unserem Engagement. Es drängte sich aber auch die Frage auf - besonders in der Landwirtshaft und auf dem Lande: Was ist los mit dir Europa? In der Diskussion darüber rückt ein zentraler Begriff in den Mittelpunkt: Regionalität. Sie ist die Quelle kultureller Vitalität - Vielfalt in Einheit. Aber wie gelingt Vielfalt in Einheit? Und das auch noch in einer globalen Welt? Zentralismus ist nicht erstrebenswert, Planwirtschaft auch nicht. Das zeigt uns die Geschichte. Die Nationalstaaten aufgeben? Nein.

Wenn wir bedenken, dass der Föderalismus die eigentliche staatliche Lebensform der Europäer ist, eine Struktur, die gleichzeitig supranational und dezentral ist und bestimmt wird von einem durchgreifenden Subsidiaritätsprinzip, das die Aufgaben des Gemeinwesens auf der regionalen nationalen und europäischen Ebene ordnet, dann verliert niemand seine Identität, Vielfalt erkennbar ein Gewinn und Zentralisierung ebenso deutlich ein Verlust bedeuten, ein Verlust an Werten und an Zukunftsgestaltung in Freiheit und Solidarität.

Ob wir weitergehen auf dem Weg eines  europäischen Staatenverbundes oder einen neuen Weg einschlagen hin zu einer politischen Union - es muss ein rechtsstaatlicher und demokratischer, ein föderativer und subsidiärer Weg sein in Frieden und Freiheit.

Hermann Kroll-Schlüter

2021

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